#05 Warum nicht alle Amazon sein müssen | WHEN IT REALLY MATTERS

Shownotes

Morgens 10 Uhr in Deutschland, der Lockdown ist zwar vorbei, doch in den Läden herrscht gähnende Leere. Zeitgleich liefern Paketboten unzählige Pakete in den Wohngebieten aus. Der stationäre Einzelhandel steht nach der Pandemie noch mehr als vorher vor großen Herausforderungen. Der Veränderungsdruck ist riesig.

Tim Thiele hat über 15 Jahre Erfahrung in der Beratung und im Mode Einzelhandel. Im Gespräch mit Paul Johannes Baumgartner berichtet er von einer „When it really matters“-Situation für eine ganze Branche und wie es mit den richtigen Ideen und Lösungen in eine gute Zukunft für den deutschen Einzelhandel gehen kann.

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00: 00:01Paul Johannes Baumgartner: Morgens 10 Uhr in Deutschland. Typisches Bild in einem Einkaufszentrum: Der Lockdown ist zwar vorbei, aber in den Läden immer noch gähnende Leere. Und zeitgleich draußen in den Wohngebieten, da parken die Amazon-, DHL- und UPS-Boten in der zweiten Reihe und die Zusteller laufen kreuz und quer durch die Gegend und liefern die Pakete aus ihren übervollen Transportern aus. Eine Situation, die schon vor Corona vielen Einzelhändlern Kopfschmerzen bereitet hat. Und das Ganze ist durch die Pandemie noch einmal deutlich beschleunigt worden. Und so geht es in der heutigen Podcastfolge um keinen Einzelfall, sondern um eine „When It Really Matters“-Situation für eine ganze Branche, nämlich den gesamten stationären Einzelhandel. Ich bin Paul Johannes Baumgartner und unser Gast heute ist ein erfahrener Transformationsexperte bei AlixPartners. Er wird uns aus erster Hand nicht nur von seinen Erfahrungen vor und während der Corona-Pandemie berichten, sondern er wird uns auch Lösungsansätze präsentieren, wie der Einzelhandel auf diese Herausforderungen reagieren kann. Er ist Tim Thiele, Director bei AlixPartners, verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Beratung und speziell bei einem großen Mode-Einzelhändler. Herzlich willkommen!

00: 01:11Tim Thiele: Vielen Dank. Freut mich, hier zu sein.

00: 01:13Paul Johannes Baumgartner: Wenn ich sage: Im Einzelhandel geht es aktuell ums Überleben, es geht um alles oder nichts. Übertreibung oder Fakt?

00: 01:21Tim Thiele: Aus meiner Sicht Übertreibung. Ich stimme nicht dem generellen Abgesang auf dem Einzelhandel zu. Ich glaube, man sieht auch in der Covid-Pandemie, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Wir haben Gewinner, den Lebensmitteleinzelhandel. Jeder hat das in den Lock Downs gemerkt: Man geht viel öfter, um was zu tun zu haben, in den Lebensmitteleinzelhandel, kauft dort nicht nur die Lebensmittel, sondern kauft dort genauso das, wie wir es nennen, Non-Food-Segment. Genauso hat man gesehen, dass zum Beispiel Baumarktketten wahnsinnig überlaufen waren, solange sie noch öffnen durften. Alle Themen rund um das Thema Home oder Möbel haben wahnsinnig profitiert. Und auf der anderen Seite stehen aber Verlierer, die auch wirklich ums Überleben kämpfen. Dazu gehören viele Bekleidungsunternehmen, gerade mittelgroße Bekleidungsunternehmen, die noch keinen Online-Kanal haben. Dazu gehören aber auch so Segmente wie Make-Up.

00: 02:13Paul Johannes Baumgartner: Es geht ja wie so oft – nicht nur im Einzelhandel, aber auch im Einzelhandel – um die veränderten Erwartungshaltungen der Kunden. Wie hat sich denn der Kunde verändert? Was wünscht er sich?

00: 02:25Tim Thiele: Ich glaube, Covid hat da als ein Beschleuniger gewirkt für Kundentrends, die wir schon vorhergesehen haben. A: Der Kunde nutzt mittlerweile Kanäle ganz natürlich und komplett übergreifend. Er macht für seine Bedarfsdeckung keinen Unterschied mehr, ob er online kauft, ob er offline kauft oder ob er auch auf neue Trends aufspringt, wie zum Beispiel das Live-Shopping, wo Influencer Produkte direkt über die sozialen Medien präsentieren und verkaufen. Also wenn man so will, das moderne Teleshopping. Ein anderer wichtiger Kundentrend ist sicherlich, dass man durch die ständige mediale Berieselung Produkte von überall auf der Welt sieht und die als Kunde dann aber auch sofort am liebsten gleich um die Ecke haben möchte. Eine enorme Herausforderung für Händler überall. Aber generell sind die Trends, die es gibt, deutlich länger schon zu sehen.

00: 03:21Paul Johannes Baumgartner: Ich lese gerade ein ziemlich spannendes Buch von Jordan B. Peterson. Das ist ein kanadischer Psychologe. Das Buch heißt Twelve Rules for Life – Ordnung und Struktur in einer chaotischen Welt. Regel Nummer 1 von 12: Aufrecht stehen und die Schultern breitmachen. Das klingt sehr hölzern, sehr profan im ersten Moment. Aber das soll heißen, sich von einer unsicheren Zukunft nicht irre machen zu lassen, sondern eine bessere, eine fruchtbare Ordnung zu errichten. Konkret für unser Thema bedeutet das heute: Ja, es wird für den Einzelhandel immer herausfordernder, Kunden in die Filialen zu bekommen. Aber irre machen ist eben keine Option. Und ich glaube, das ist auch eine ganz, ganz wichtige Aufgabe, die Sie als Berater von AlixPartners haben: Aufrecht stehen, die Schultern breitmachen, weil es gibt ja Mittel und Wege.

00: 04:06Tim Thiele: Also erst mal finde ich das ein wunderschönes Bild. Und ich glaube, dass gerade deutsche Händler sich in den vergangenen Jahren zu schmale Schultern gemacht haben. Man hat versucht, Amazon zu kopieren. Alle wollten der nächste Amazon sein. Wie kann ich so werden wie Amazon? Meine Organisation muss so aussehen wie Amazon. Ich muss mich präsentieren, so wie Amazon. Und Einzelhändler haben ein Stückweit verlernt, ihre Schultern breit zu machen und zu überlegen: Was sind eigentlich meine Stärken? Wie kann ich für meine Käuferschicht, für meine Kunden einen echten Mehrwert generieren? Und da gibt es Konzepte, die das sehr, sehr erfolgreich machen. Wenn ich vielleicht eines kurz rauspicken darf: lululemon. Für jeden, der lululemon noch nicht kennt, der war auf jeden Fall noch nicht in einem Yogakurs in den letzten Jahren. Lululemon vertreibt sündhaft teure Yogakleidung. Und die haben es geschafft, ganz abseits von Amazon, eine echte Community zu bauen. Was meine ich damit? Die nutzen ihre Filialen beispielsweise nicht nur, um ihre Ware zu verkaufen, sondern vor und nach Ladenschluss werden die Warenträger an die Seite geschoben und man hat eine riesengroße Fläche, auf der man Veranstaltungen machen kann. Yogakurse, Wellbeing-Kurse, Influencer, die in diesen Räumlichkeiten ihre Kurse aufzeichnen etc. pp. All das sind Konzepte, die erfolgsversprechend sind und die ganz weit weg von Amazon sind.

00: 05:31Paul Johannes Baumgartner: New Yorker – auch ein Beispiel, das Sie ganz gut kennen.

00: 05:34Tim Thiele: Genau. New Yorker ist sicherlich auch ein Beispiel- Für mich ein Unternehmen, was es A geschafft hat, immer wieder jüngere Kunden neu zu begeistern und anders als andere nicht unbedingt versucht hat, mit den Kunden zu altern und älter zu werden. Und auch ein Unternehmen, was es geschafft hat, rein offline ohne Online-Kanal zu einem der profitabelsten Handelsunternehmen Deutschlands zu werden.

00: 05:58Paul Johannes Baumgartner: Bei Amazon im Prinzip das, was Sie gesagt haben. Ich habe mir das überlegt. Das ist ja genau das Prinzip von Amazon auch: Wir wollen das kundenfreundlichste Unternehmen sein. Das ist ja die Herangehensweise von Amazon. Und das wäre ja durchaus etwas, was man vom Mindset her durchaus gerne mitübernehmen oder adaptieren dürfte.

00: 06:13Tim Thiele: Da stimme ich Ihnen zu. Vom Mindset her das kundenfreundlichste Unternehmen zu sein, ist sicherlich richtig und wichtig. Aber die Definition, was für meine Kunden das freundlichste Unternehmen ist, das macht den Unterschied.

00: 06:26Paul Johannes Baumgartner: Sind denn die Herausforderungen, vor denen der Einzelhandel steht, überall gleich oder gibt es da spezielle Herausforderungen für den deutschen Handel?

00: 06:34Tim Thiele: Ich glaube, es gibt auch für den deutschen Handel besondere Herausforderungen. Anders als in zum Beispiel der USA oder in anderen großen Nationen ist der deutsche Einzelhandel von sehr vielen Mittelständlern geprägt. Und diese Mittelständler haben oft die Herausforderung, dass ihre Technologieplattformen, also ihre Systeme zur Steuerung des gesamten Unternehmens, oft noch so veraltet sind, dass sie nicht schnell genug auf die Veränderung reagieren können. Und das führt oft zu massiven Problemen. Und dann ist es gar nicht die Herausforderung: Wie kriege ich die Verbindung von Online und Offline hin? Dann ist es oft ganz banales, handwerkliches Zeug. Wie kriege ich meinen Offline-Kanal sauber aufgestellt und meine Hausaufgaben gemacht, um im Wettbewerb zu bestehen? Und wie schaffe ich das auch online?

00: 07:21Paul Johannes Baumgartner: Jetzt kommt also ein Einzelhandelsunternehmen zu Ihnen und sagt: Mensch, Herr Thiele, Sie sind vertrauenswürdig, Sie sind ein kompetenter Mann bei AlixPartners. Wenn einer Ideen hat, dann sind Sie es. Bevor wir uns gleich anschauen, wie so eine Schritt-für-Schritt-Optimierung aussehen kann – was sagen Sie als Berater? Was sind erstmals die wichtigsten Hebel? Was schauen Sie sich in jedem Fall genauer an?

00: 07:43Tim Thiele: Ich glaube, in jedem Fall kann man nicht sagen, da ist die Einzelhandelslandschaft einfach zu divers und es gibt unterschiedliche Herausforderungen, aber es gibt schon sich sehr stark wiederholende Themen. Vielleicht können wir einmal drei Themen rauspicken. Einmal das Thema Organisation, dann das Thema Flexibilisierung der Kosten und dann das Thema Store-Portfolio. Wenn wir uns angucken, wie sich die letzten Jahre entwickelt haben, dann war es bei vielen Einzelhändlern so, dass sie sich organisatorisch ein Schnellboot gebaut haben, um das Onlinegeschäft groß zu ziehen. Sicherlich eine kluge Entscheidung. Ich verlasse mich nicht auf die in Anführungszeichen alte Welt einer gegebenenfalls trägen Organisation, sondern baue ein Schnellboot, was schnell online Marktanteil mitabgreifen kann, mit neuen Leuten, mit neuen Arbeitsweisen, mit neuen Bürokonzepten etc. pp. Jetzt ist aber über die letzten Jahre und insbesondere bestärkt durch Covid dieser Online-Anteil wahnsinnig gewachsen und es ist eigentlich kein Schnellboot mehr und ich muss mir als Handelsunternehmen überlegen, wie integriere ich diese Online-Einheit in meine andere Welt, wo ich einen Offline-Kanal habe, wo stetig sinkende Umsatzzahlen vorherrschen, aber wo oft der Offline-Kanal noch der echte Ergebnisbringer ist? Und wie verknüpfe ich diese beiden Welten organisatorisch und sorge dafür, dass Querschnittsfunktionen wie zum Beispiel ein gemeinsamer Wareneinkauf, wie eine gemeinsame Logistikabwicklung, wie ein gemeinsames Finanzwesen, beide Kanäle so bedienen, dass sie sich entfalten können, aber auch ihre gemeinsamen Stärken miteinander verbinden können. Dann vielleicht zum zweiten Punkt, der Flexibilisierung der Kosten. Sicherlich ein ganz zentrales Thema, wenn ich mir überlege, dass so ein Sondereffekte wie Covid vielleicht einmalig ist, aber dass Händler schon gesehen haben, das besondere Situationen dann oft notwendig machen, dass ich ganz schnell meine Kostenstruktur anpassen kann. Wir haben sicherlich in Deutschland den Vorteil gehabt, dass wir durch sehr hohe staatliche Unterstützung viele der Schmerzen abfedern konnten. Aber diese Hilfen werden auslaufen. Und die nächste Veränderung – wir wissen vielleicht heute noch nicht, was sie ist – ist sicherlich schon wieder um die Ecke und da müssen wir sehr genau hingucken: Wie schaffe ich es, meine Kostenbasis so zu flexibilisieren, dass ich auf solche Events besser reagieren kann? Das dritte Thema ist dann sicherlich Store-Portfolio.

00: 10:22Paul Johannes Baumgartner: Genau, für alle, die mit Store-Portfolio vielleicht gerade nicht allzu viel anfangen können – was ist das?

00: 10:27Tim Thiele: Store-Portfolio oder Store-Portfolio-Optimierung ist letztendlich nichts anderes als die Beschäftigung damit: Wie sieht eigentlich mein Filialnetzwerk aus? Wo habe ich wie viele Filialen, um maximal profitabel arbeiten zu können? Diese Filialoptimierung ist sicherlich gerade vor, während und jetzt auch nach der Pandemie ein ganz, ganz entscheidender Punkt. Wir sehen das auch nach dem letzten Lockdown, dass die Frequenzen in den Innenstädten weiter rückläufig sind. Es gibt 30 bis 50 Prozent Frequenzrückgänge in manchen Innenstädten weiterhin und es ist noch unklar, wie viele dieser Frequenzen zurückkehren werden. Das heißt, ich bin letztendlich dazu gezwungen, mich mit meinem Filialnetzwerk intensiver zu beschäftigen, sowohl im Abbau von Filialen, aber vielleicht auch im Nutzen von Chancen, wo Filialen in Städten frei werden, wo ich immer schon hinwollte und jetzt Ladenlokale angeboten werden. Und diese Optimierung ist sicherlich entscheidend für viele Einzelhändler.

00: 11:29Paul Johannes Baumgartner: Und natürlich immer mit im Boot, das kann man auch mal an dieser Stelle als Randnotiz vermerken, natürlich auch die Einzelhandelsverbände und das Stadtmarketing, die natürlich jederzeit herzlich willkommen sind mit guten Ideen. Was sagen Sie, worauf kommt es an? Wo sehen Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die tatsächliche Umgestaltung des Filialnetzes?

00: 11:48Tim Thiele: Ich glaube, in der Vergangenheit haben die meisten Einzelhändler es sich relativ einfach gemacht. Die Filialen wurden an einer Profitabilitäts-Perlenkette aufgereiht – fünf Euro ins Phrasenschwein – das heißt, Sie haben sich die Filialen letztendlich in einer Reihe aufgestellt, geguckt, wo sind die unprofitabelsten, haben für sich definiert, was unprofitabel heißt – ist das bei einer Nulllinie? Ist das vielleicht erst bei fünf Prozent Profitabilität? – und haben dort einfach weggeschnitten. Das ist aber in einer Welt, wo Omni-Channel eine Rolle spielt, wo die Kanäle übergreifend gehandhabt werden, wo Leute auch mobiler sind, wahrscheinlich nicht mehr die klügste Idee, sondern ich muss mir eigentlich in sogenannten Catchment Areas, auf Deutsch sozusagen Kaufkraft-Einzugsgebiete, angucken: Welche Kunden habe ich da, wie viel Potenzial habe ich da und wie kann ich dieses Potenzial maximal erschließen? Geht das über eine Filiale, über zwei Filialen, über das Zusammenspiel von Filiale und Online? Und diese Frage kann ich heute deutlich besser beantworten als früher, weil ich viel mehr Daten zur Verfügung habe. Das heißt, ich bin in der Lage, über Loyalitätsprogramme meinen Kunden sehr genau nachzuvollziehen: In welchen Kanälen shoppt er, wie oft schreibt er, wie viel kauft er? Ich kann über Handytracking sehen: Wo sind die Laufwege meiner Kunden? Wie verhalten die sich? Wie verhalten die sich, wenn ich etwas ändere an meinem Schaufenster etc. pp. Und wenn ich alle diese Daten zusammenwerfe, dann kriege ich eigentlich ein sehr klares Bild davon, was ich eigentlich machen sollte. So, und jetzt? Hier kommt ein wichtiger Aspekt: Diese ganzen Daten sagen mir erst einmal nur theoretisch, wie ich es machen sollte. Die Realität ist: Nur weil ich in Deutschland ein Modell baue, indem ich Daten auswerte und mich als Händler hinsetze und vielleicht auch Filialen in Italien habe, heißt das noch lange nicht, dass ich da nur auf Datenbasis die beste Entscheidung für die Innenstadt in Palermo treffen kann. Und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass für die lokale Entscheidung die Diskussion mit den beispielsweise Vertrieblern vor Ort ganz, ganz entscheidend ist, um die richtige Entscheidung zu treffen und nicht in die Falle zu laufen: tolle Daten, die Daten sagen A, also mache ich auch A. Und das ist immer ein ganz wichtiger Bestandteil, auch wenn wir mit den Kunden zusammenarbeiten. Wir nutzen die Daten, wir bereiten sie schnell und verdaubar auf und führen sie dann aber in der Diskussion mit den relevanten Vertrieblern zu einer Entscheidung.

00: 14:22Paul Johannes Baumgartner: Was wird denn von den betreffenden Unternehmen, von dem betreffenden Unternehmern häufig unterschätzt?

00: 14:29Tim Thiele: Ich glaube, es eine sehr wichtige Frage, und die fängt meistens schon vor der Umsetzung an. Die meisten Unternehmen, die wir begleiten, müssen wir zunächst unterstützen, schnell und mutig eine Entscheidung zur Umgestaltung des Filialportfolios zu treffen. Wenn man sich das anguckt: In den meisten Handelsunternehmen heißen heute die relevanten Abteilungen, die Filialnetze betreuen, noch Expansionsabteilungen. Ja, der Name sagt es eigentlich schon. Das sind Organisationseinheiten, die gewohnt sind, Filialnetze aufzubauen und wachsen zu lassen. Und den Mut zu haben: Wo muss ich jetzt eigentlich auch mal einen tieferen Einschnitt machen und wo kann ich gegebenenfalls auch Chancen nutzen und das ganzheitlich und schnell? Das ist das, wo wir oft den ersten entscheidenden Mehrwert generieren. In der Umsetzung ist es dann oft entscheidend, einfach handwerklich sauber und schnell zu arbeiten. Da gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen, die berücksichtigt werden müssen. Zunächst ganz vorneweg die Personalfrage. Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern, mit den Betriebsräten, mit den Gewerkschaften, um bei Filialschließungen schnell, geräuschlos und fair zu Schließungen zu kommen. Dann wie gehe ich eigentlich mit dem Inventar um, was in der Filiale übrigbleibt? Wie gehe ich mit den Mietverträgen um, die vielleicht noch viel, viel länger laufen? Wie kommuniziere ich die Schließung von Filialen meinem Kunden sauber? Und dann auch für uns eine ganz entscheidende Frage, wenn wir noch mal zu dem Aspekt der Kaufkraft-Einzugsgebiete zurückkommen: Wie schaffe ich es, bei Filialschließungen meinen Kunden in andere Filialen oder andere Kanäle zu transferieren, um den Umsatz in Anführungszeichen zu retten? Und da gibt es Instrumente und Hebel, die sicherlich sehr händlerindividuell sind, die aber entscheidend sind, um hinterher ein profitableres Gesamtnetzwerk zu haben.

00: 16:27Paul Johannes Baumgartner: Der Handel im Wandel. Sind Sie bereit für einen Blick in die Zukunft?

00: 16:31Tim Thiele: Ja.

00: 16:32Paul Johannes Baumgartner: Wie wird Ihrer Meinung nach die Innenstadt in zehn Jahren aussehen? Was wäre Ihre persönliche Wunschvorstellung als Berater?

00: 16:39Tim Thiele: Leider kann ich auch nicht genau sagen, wie die Innenstadt in zehn Jahren aussehen wird. Aber es gibt ein paar Dinge, die relativ klar sind, vielleicht auch ein paar Dinge, wo ich optimistisch in die Zukunft blicke und wir eine Chance haben. Einerseits denke ich, dass der Trend nicht aufzuhalten ist, dass wir weitere Frequenzverluste in den Innenstädten und gerade in kleineren Mittelstädten sehen werden. Das heißt, das Filialsterben wird weitergehen. Das wird sich nicht aufhalten lassen. Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte: Mein Wunsch ist, dass vor allem Einzelhändler und Politiker mutiger sind, Veränderungen anzugehen. Wir haben in Deutschland, anders als in anderen Ländern, die einmalige Chance über Innenstädte zu sprechen und nicht wie beispielsweise in den USA über leere Einkaufszentren und Malls auf der grünen Wiese. Und diese Innenstadt-Chance müssen wir nutzen. Wir müssen neue Konzepte und Wege finden, Kunden, Besucher in Innenstädte zu bringen, losgelöst oder nicht nur gebunden an den einzelnen stationären Einzelhändler.

00: 17:48Paul Johannes Baumgartner: Aufrecht stehen und die Schultern breitmachen. Der stationäre Einzelhandel steht nach der Pandemie noch mehr als vorher vor großen Herausforderungen. Der Veränderungsdruck ist riesig, aber mit den richtigen Ideen und Lösungen kann es in eine gute Zukunft gehen und natürlich auch mit dem richtigen Partner an seiner Seite. Danke schön Tim Thiele, Director bei AlixPartners.

00: 18:09Tim Thiele: Vielen Dank. Hat Spaß gemacht.

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